Zweites Kapitel: Sorgfaltspflichten der Versicherungsunternehmen

3. Abschnitt: Besondere Sorgfaltspflichten und Massnahmen

Art. 13bis

Geschäftsbezeichnungen mit erhöhten Risiken



1

Das Versicherungsunternehmen legt die Kriterien fest, welche auf Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken hinweisen.

2

Als Kriterien, welche auf Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken hinweisen, kommen insbesondere in Frage:

a.

die Höhe der eingebrachten Vermögenswerte lassen sich nicht mit dem wirtschaftlichen Umfeld, den Kenntnissen und Erfahrungen über die Vertragspartei vereinbaren;

b.

die Art der verlangten Dienstleistungen oder Produkte (namentlich Wrapper Produkte);

bbis.

die Konstruktion des Versicherungsantrages deutet darauf hin, dass ein krimineller Zweck erreicht werden soll;

c.

Art und Ort der Geschäftstätigkeit der Vertragspartei und/oder des wirtschaftlich Berechtigten;

d.

der Zweck des Vertragsabschlusses ist wirtschaftlich unsinnig;

e.

Erteilen einer Vollmacht an eine Person, welche erkennbar nicht in einer genügend engen Beziehung zur Vertragspartei steht;

f.

Erteilen einer Anweisung, die Versicherungssumme der begünstigten Person bar auszuzahlen;

g.

die Vertragspartei hat Diskretionsbedürfnisse, die über das branchenübliche Mass hinausgehen, oder es fehlt der persönliche Kontakt;

h.

die Vertragspartei verlangt zusätzlich zur Versicherungspolice eine Garantieerklärung;

i.

Eingehen einer Geschäftsbeziehung mit einer Sitzgesellschaft oder mit Personenverbindungen, Trusts oder anderen Vermögenseinheiten an denen keine bestimmte Person wirtschaftlich berechtigt ist;

j.

Eingehen einer Geschäftsbeziehung mit natürlichen oder juristischen Personen resp. wirtschaftlich Berechtigten mit Nationalität, Wohnsitz oder Sitz in Ländern, deren Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei den grundlegenden Prinzipien des GwG nicht entsprechen, insbesondere in den von der FATF als Hochrisiko- und nicht kooperativ beurteilten Ländern;

k.

Auftreten von Verdachtsmomenten, wonach die Vertragspartei oder die wirtschaftlich berechtigte Person zu einer terroristischen oder einer anderen kriminellen Organisation gehört oder Verbindungen zu Personen hat, welche solchen Organisationen angehören, sie unterstützen oder ihr sonst wie nahe stehen;

l.

Gewährung eines Hypothekarkredites in einer anderen Währung als CHF oder für eine nicht in der Schweiz gelegene Liegenschaft;

m.

Verwendung von risikoreichen Vertriebskanälen;

n.

Häufige Transaktionen mit erhöhten Risiken.

3

Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken sind zu kennzeichnen. Die Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken muss von einer vorgesetzten Stelle (Teamleiter, Managementfunktion etc.) genehmigt werden. Mutiert eine bestehende Geschäftsbeziehung zu einer solchen mit erhöhten Risiken und kann diese aus zivilrechtlichen Gründen nicht einseitig durch das Versicherungsunternehmen aufgelöst werden, so muss dies einer vorgesetzten Stelle zur Kenntnis gebracht werden.

4

Geschäftsbeziehungen, bei welchen eine politisch exponierte Person bei internationalen Sportverbänden Vertragspartei oder wirtschaftlich berechtigte Person ist, gelten erst dann als Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken, wenn zusätzlich ein weiteres Kriterium, welches auf eine Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken hinweist, erfüllt ist. Eine Genehmigung oder Kenntnisnahme dieser Geschäftsbeziehungen durch eine vorgesetzte Stelle ist nicht notwendig, solange sie nicht als Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken zu qualifizieren sind.

5

Geschäftsbeziehungen, bei welchen eine inländische politisch exponierte Person oder eine politisch exponierte Person bei zwischenstaatlichen Organisationen Vertragspartei oder wirtschaftliche berechtigte Person ist, gelten erst dann als Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken, wenn zusätzlich ein weiteres Kriterium, welches auf eine Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken hinweist, erfüllt ist. Eine Genehmigung oder Kenntnisnahme dieser Geschäftsbeziehungen durch die Geschäftsleitung oder der zuständigen Person gemäss Art. 15 ist nicht notwendig, solange sie nicht als Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken zu qualifizieren sind.

6

Geschäftsbeziehungen, bei welchen eine ausländische politisch exponierte Person Vertragspartei oder wirtschaftlich berechtigte Person ist, gelten in jedem Fall als Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken. Die Aufnahme oder Änderung dieser Geschäftsbeziehungen muss von der Geschäftsleitung oder der zuständigen Person gemäss Art. 15 genehmigt werden.

7

Ruft die FATF ihre Mitglieder zur Ergreifung von Massnahmen gegen ein Land auf, gelten Geschäftsbeziehungen mit Personen, welche in einem solchen Land ansässig sind, als Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken.



Vorbemerkungen


Das Reglement SRO-SVV unterscheidet zwischen Geschäftsbeziehungen und Transaktionen mit erhöhten Risiken (analog Art. 13 und 14 GwV-FINMA). Eine klare Unterscheidung drängt sich aufgrund der Formulierung von Art. 6 GwG auf und bietet zudem folgende Vorteile:

  • Bei Transaktionen mit erhöhten Risiken muss eine einmalige Abklärung erfolgen (und keine regelmässige Kontrolle wie bei Geschäftsbeziehungen, vgl. Art. 15 R SRO-SVV und Neuformulierung von Art. 6 GwG). Bei einer hohen Einmaleinlage (und keinen weiteren Auffälligkeiten) können so die Abklärungsaufwände minimiert werden.
  • Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken müssen genehmigt werden (im Gegensatz zu Transkationen, vgl. Formulierung von Art. 6 GwG).

Aus diesen Gründen werden deshalb die Geschäftsbeziehungen und Transaktionen in eigenen Artikeln geregelt (Art. 13bis und Art. 13ter R SRO-SVV).


Der Abschluss einer Lebensversicherung oder Hypothekarfinanzierung unterscheidet sich grundlegend von der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen in anderen Bereichen. Bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen zur Aufnahme einer Geschäftsbeziehung, also bereits im Zeitpunkt des Eintreffens des unterzeichneten Versicherungs- oder Hypothekarkreditantrages beim Versicherungsunternehmen, wird der wirtschaftliche Umfang des Geschäfts festgelegt und ersichtlich bzw. umfangreiche Informationen zur Beurteilung der Tragbarkeit des Hypothekarkredites eingeholt. Von diesem Zeitpunkt an ist bekannt, wie hoch die Summe der gesamten künftigen (kapitalbildenden) Prämienzahlungen gemäss vertraglicher Vereinbarungen sein soll. Es kann somit bereits im Verhandlungsstadium und vor der Aufnahme der Geschäftsbeziehung abgeschätzt werden, ob ein vom Wert her erkennbar geldwäscherei-relevanter Sachverhalt vorliegt oder nicht. Die betragsmässig unproblematischen Verträge können somit von vornherein unberücksichtigt bleiben, und ein besonderes Augenmerk kann auf diejenigen Verträge gelegt werden, deren Prämien- oder Kreditvolumen einen erheblichen Wert erreichen (Botschaft-1996, Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 3 E-GwG).


Bei unplausiblen Geschäften darf sich das Versicherungsunternehmen nicht auf die Identifikation der Vertragspartei, des Inhabers eines Prämienkontos oder eines -depots sowie des Erwerbers von Fondsanteilen und auf die Feststellung der wirtschaftlich berechtigten Person/Kontrollinhaber beschränken. Vielmehr besteht für das Unternehmen die weitergehende, konkrete Sorgfaltspflicht, beim Vorliegen von Ungewöhnlichkeiten zusätzliche Abklärungen über die Hintergründe und den Zweck des beabsichtigten Geschäftes zu treffen.


Die Pflicht zur Abklärung der Hintergründe beschränkt sich auf ungewöhnliche Geschäfte oder Geschäftsbeziehungen. Es geht nicht darum, systematisch alle Kundenbeziehungen auf einen möglichen deliktischen Zusammenhang hin zu prüfen. Dies entspricht dem risikobasierten Ansatz, der heute in der Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung international allgemein anerkannt und im Reglement verankert ist. In Einzelfällen kann das Ergebnis der besonderen Abklärungen nach Art. 14 R SRO-SVV zur Nichtaufnahme der Geschäftsbeziehung bzw. zur Ablehnung des Antrages und allenfalls zu einer Meldung an die Meldestelle für Geldwäscherei nach Art. 9 Abs. 2 GwG führen.


Die Abklärung der wirtschaftlichen Hintergründe eines Vertragsabschlusses gehört zu den präventiven Sorgfaltspflichten eines Versicherungsunternehmens und entspricht internationalen Standards (Empfehlungen Nr. 10 ff. der FATF [Fassung von Februar 2012]). Sie sind die zentralen Sorgfaltspflichten des GwG und des Reglements. Zusammen mit der Meldepflicht nach Art. 9 GwG stellt die besondere Abklärungspflicht nach Art. 6 GwG «das Herzstück des Geldwäschereigesetzes» dar (Graber, GwG, Art. 6 Rz 11).


Kommen dem Versicherungsunternehmen während der Vertragsdauer Ungewöhnlichkeiten zur Kenntnis, die den Vertrag als unplausibel erscheinen lassen, ist die gesamte Geschäftsbeziehung erneut auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen (so auch Botschaft-1996; Erläuterungen zu Art. 6 E-GwG). Eine systematische Überwachung ist jedoch nicht erforderlich.


zu Abs. 1:


Das Versicherungsunternehmen legt Kriterien fest, wann Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken vorliegen. Im Sinne einer (nicht als abschliessend zu betrachtenden) Richtlinie findet sich ein Kriterien-Katalog im nachfolgenden Absatz 3. Der Kriterienkatalog ist in den internen Weisungen des Versicherungsunternehmens zu konkretisieren.


Ungewöhnlichkeiten, welche sich auf Grund der Plausibilitätsprüfung ergeben können und eine besondere Abklärungspflicht auslösen, liegen insbesondere in folgenden Fällen vor


«a)

die Höhe der eingebrachten Vermögenswerte lässt sich nicht mit dem wirtschaftlichen Umfeld, den Kenntnissen und Erfahrungen über die Vertragsparteivereinbaren;»

Dieser Tatbestand liegt etwa dann vor, wenn aufgrund der vorhandenen Informationen davon ausgegangen wird, dass die Vertragspartei, welche eine kapitalbildende Lebensversicherung mit hoher Einmalprämie beantragt, ein geringes steuerbares Einkommen/Vermögen oder gar kein Einkommen/Vermögen hat.

«b)

die Art der verlangten Dienstleistungen oder Produkte (namentlich Wrapper Produkte);»

Gemäss der FINMA-Mitteilung 18/2010 versteht man unter Wrapper-Produkt (Mantelversicherung):

«Bei einer Lebensversicherung mit separater Konto-/Depotführung führt ein Versicherungsunternehmen ein Anlagedepot-/Konto oder Unterdepot-/Konto bei einer Bank oder einem Effektenhändler, welches zur Aufbewahrung und Verwaltung von Anlagen eines einzelnen Kunden des Versicherungsunternehmens im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrages dient. Das Versicherungsunternehmen bleibt in jedem Fall für die Erfüllung seiner Identifikationspflichten verantwortlich. Dass allenfalls die Bank bereits den jetzigen Versicherungskunden identifiziert hat, entbindet nicht von der selbständigen Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch die Versicherung.»

Vgl. dazu die Regelung in Art. 42 VSB, mit welcher die FINMA-Mitteilung 18/2010 inhaltlich aufgenommen wurde.

«bbis)

die Konstruktion des Versicherungsantrages darauf hindeutet, dass ein krimineller Zweck erreicht werden soll;»

Unter kriminellem Zweck ist der Missbrauch eines Versicherungsvertrages zur Begehung eines Verbrechens, insbesondere zur Geldwäscherei selbst, zu verstehen.

Beispiel:

Ein Versicherungstreuhänder nahm von einem Kunden gegen Quittung Geld, das aus dem Drogenhandel stammte, bar entgegen und übergab es einem Dritten. Dieser überwies zweimal CHF 50 000 für den Abschluss von zwei Lebensversicherungen mit Einmalprämie bei einem Versicherungsunternehmen. Die Aufsplittung in zwei Tranchen wurde deshalb vorgenommen, weil bei CHF 100’000 übersteigenden Einmalprämien bei den Versicherungen besondere Meldepflichten bestanden. Das Bundesgericht bestätigte ein Urteil des kantonalen Strafgerichts, welches den Treuhänder der Geldwäscherei im Sinne von Art. 305bis StGB schuldig befand (BGE 119 IV 242 ff.; Praxis 83 Nr. 147).

«c)

Art und Ort der Geschäftstätigkeiten der Vertragspartei und/oder des wirtschaftlich Berechtigten;»

Was den Ort der Geschäftstätigkeiten anbelangt, kann auf die Ausführungen zu lit. k (Eingehen einer Geschäftsbeziehung oder Transaktion in Verbindung mit natürlichen oder juristischen Personen resp. wirtschaftlich Berechtigten mit Nationalität, Wohnsitz oder Sitz in Ländern, deren Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung den grundlegenden Prinzipien des GwG nicht entsprechen) verwiesen werden.

Bei der Art der Geschäftstätigkeit ist an Tätigkeiten zu denken, die vielmals im Dunstkreis krimineller Aktivitäten genannt werden wie z.B. Waffenhandel, Kunsthandel, Organhandel, Menschenhandel, Tierhandel, Öl- oder Diamantenhandel. Es handelt sich in der Regel um Tätigkeiten, welche unter Einhaltung aller nationalen sowie internationalen (Embargo-) Bestimmungen absolut legal sein können (M. Pini, RiskBased Approach – ein neues Paradigma in der Geldwäschereibekämpfung, Dike Verlag AG, 2007, S. 111 ff.)

«d)

der Zweck des Vertragsabschlusses wirtschaftlich unsinnig ist;»

Die Art der verlangten Dienstleistungen oder Produkte selbst oder der damit angestrebte Zweck, können Indikatoren für ein erhöhtes Risiko sein.

  • Beispiele: Nicht identifizierte Kunstmäzene aus Amerika wollen über einen Schweizer Vermittler mittels kapitalbildenden Versicherungen mit hohen Jahresprämien und kurzer Laufzeit in Italien ein Kunstprojekt finanzieren und verlangen zusätzlich zur Police eine schriftliche Garantie für die Versicherungssumme. Der Vermittler soll die Abschlussprovision und die Boni erhalten.
  • Abschluss von mehreren kapitalbildenden Lebensversicherungen mit gleichem Risikoschutz und kurzer Laufzeit sowie Finanzierung mit Einmalprämien knapp unter der Identifikationslimite (sog. Smurfing). Ein solches Konzept will in der Regel die Geldwäscherei-Sorgfaltspflichten unterlaufen und ist wirtschaftlich unsinnig, wenn sich für die Aufteilung in mehrere Policen keine anderweitige Begründung findet.

In solchen Fällen hat als Grundsatz zu gelten:

Undurchsichtige oder bezüglich dem angestrebten Zweck unsinnige Vertragskonstruktionen und Anträge sind weiter abzuklären. Können die Ungewöhnlichkeiten nicht vollständig ausgeräumt werden, ist das Geschäft abzulehnen und allenfalls Meldung nach Art. 9 Abs. 1 GwG an die Meldestelle für Geldwäscherei zu erstatten.

«e)

eine Vollmacht an eine Person erteilt werden soll, welche erkennbar nicht in einer genügend engen Beziehung zur Vertragspartei steht;»

Der Bevollmächtigte ist als solcher an den eingebrachten Vermögenswerten verfügungsberechtigt. In diesem Fall ist er gemäss Art. 9 R SRO-SVV als wirtschaftlich berechtigte Person festzustellen. Darüber hinaus kann die Vollmachterteilung an eine aussenstehende Person ungewöhnlich sein und muss näher abgeklärt werden. Kann die Vertragspartei keine plausible Erklärung für die erteilte Vollmacht geben, und kann die Ungewöhnlichkeit nicht durch zusätzliche Abklärungen beseitigt werden, ist das Geschäft abzulehnen.

«f)

eine Anweisung erteilt wird, die Versicherungssumme der begünstigten Person bar auszuzahlen;»

Barauszahlungen sind nicht verboten. Entscheidend ist, dass sich aus der privaten oder geschäftlichen Tätigkeit der begünstigten Person für die Barauszahlung der Versicherungsleistung ein plausibler Grund finden lässt.

«g)

die Vertragspartei Diskretionsbedürfnisse hat, die über das branchenübliche Mass hinausgehen, oder es fehlt der persönliche Kontakt;»

Die Vertragspartei hat Diskretionsbedürfnisse, die über das branchenübliche Mass hinausgehen, insbesondere wenn sie verlangt, dass der Vertrag nicht in die Datenbank aufgenommen oder unter einer Nummer oder unter einem Decknamen geführt werde oder versucht, den vom Versicherungsunternehmen angestrebten persönlichen Kontakt zu vermeiden. Das Fehlen eines persönlichen Kontaktes für sich allein ist nicht zwingend ein Hinweis auf eine erhöhte Geldwäschereigefahr. Dies zumal dann nicht, wenn für Vertragsanbahnung und -abschluss von den Parteien bewusst der Korrespondenzweg gewählt wird, was beispielsweise für Vertragsabschlüsse via Direct-Marketing typisch ist, oder auch aus der Benutzung von IT-gestützten Vertriebssystemen folgt. Für die Identifikation der Vertragspartner bestehen in solchen Fällen spezielle Regelungen (vgl. Art. 4 Abs. 1 lit. b und c R SRO-SVV). Vielmehr muss sich die Abwesenheit des Kunden aus den gesamten Umständen als unüblich und seltsam erweisen.

«h)

die Vertragspartei zusätzlich zur Versicherungspolice eine Garantieerklärung verlangt;»

Wunsch einer Vertragspartei nach einem «letter of intent» vor der Policierung oder nach einer schriftlichen Garantie, welche vom Versicherungsunternehmen zusätzlich zur Police abgegeben werden soll.

«i)

Eingehen einer Geschäftsbeziehung mit einer Sitzgesellschaft oder mit Personenverbindungen, Trusts oder anderen Vermögenseinheiten an denen keine bestimmte Person wirtschaftlich berechtigt ist;»

Bei Personenverbindungen, Trusts oder anderen Vermögenseinheiten ist oft aufgrund des Antrages nicht erkennbar, wer wirklich wirtschaftlich berechtigte Person ist, und was genau die Hintergründe des Einsetzens der Personenverbindung, des Trusts oder der Vermögenseinheiten als Vertragspartei sind. Daher drängt sich in diesen Fällen auf, die Hintergründe abzuklären.

«j)

eine Geschäftsbeziehung in Verbindung mit natürlichen oder juristischen Personen resp. wirtschaftlich Berechtigten mit Nationalität, Wohnsitz oder Sitz in Ländern, deren Massnahmen zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung den grundlegenden Prinzipien des GwG nicht entsprechen, eingegangen wird , insbesondere in den von der FATF als Hochrisiko- und nicht kooperativ beurteilten Ländern.»

Diese Bestimmung bezieht sich sowohl auf die Vertragspartei als auch auf die wirtschaftlich berechtigte Person. Nebst Wohnsitz oder Sitz ist auch die Nationalität der Vertragspartei respektive der wirtschaftlich berechtigten Person als Anhaltspunkt für ein erhöhtes Risiko zu berücksichtigen. Das bedeutet aber nicht, dass die wirtschaftlich berechtigte Person systematisch abgeklärt werden muss. Das Kriterium des Länderrisikos findet für den wirtschaftlichen Berechtigten nur in den Fällen Anwendung, in denen gemäss Art. 9 R SRO-SVV bei der Vertragspartei eine schriftliche Erklärung betreffend die wirtschaftlich berechtige Person einzuholen ist.
Der Sitz oder Wohnsitz der Vertragspartei oder der wirtschaftlich berechtigten Person sowie deren Staatsangehörigkeit können Indizien für ein erhöhtes Risiko in der Geschäftsbeziehung sein. Es geht hier insbesondere um Länder, in deren Rechtssystemen der Missbrauch der staatlichen Macht z.B. durch verbreitete Korruption oder generell kriminelle Handlungen aller Art bekanntermassen an der Tagesordnung sind und somit die Wahrscheinlichkeit, dass Vermögenswerte von Kunden aus diesen Ländern aus krimineller Herkunft stammen, stark erhöht ist (vgl. M. Pini, RiskBased Approach – ein neues Paradigma in der Geldwäschereibekämpfung, Dike Verlag AG, 2007, S.109 ff.). Dabei müssen die seitens FATF als «High-risk and other monitored jurisdictions» qualifizierten Länder bei der Bestimmung der Risikoländer berücksichtigt werden. Die betreffenden Länder sind auf der Website der FATF unter der Rubrik «Publications» – «High-risk and other monitored jurisdictions» publiziert (vgl. http://www.fatf-gafi.org/countries/#high-risk). Das Versicherungsunternehmen kann in seinen Richtlinien weitere konkretisierende Kriterien zu den Risikoländern festlegen.

«k)

Verdachtsmomente auftreten, wonach die Vertragspartei oder die wirtschaftlich berechtigte Person zu einer terroristischen oder anderen kriminellen Organisation gehört oder Verbindungen zu Personen hat, welche solchen Organisationen angehören, sie unterstützen oder ihr sonst wie nahe stehen;»

Das Versicherungsunternehmen muss, wenn es Hinweise erhält, besondere Abklärungen vornehmen.

«l)

Gewährung eines Hypothekarkredites in einer anderen Währung als Schweizer Franken oder für eine nicht in der Schweiz gelegene Liegenschaft.»

Hypotheken mit Ausland-Bezug erachtet die FINMA als erhöhtes Risiko. Das pfandbelastete Grundstück kann sowohl in der Schweiz wie auch im Ausland liegen. Deshalb gilt beispielsweise ein Hypothekarkredit in Schweizer Franken, wenn das Grundstück in Deutschland liegt, wie auch in EURO, wenn das Grundstück in der Schweiz oder in Liechtenstein liegt, als mögliches Kriterium für ein erhöhtes Geldwäschereirisiko. Es handelt sich dabei um ein «mögliches Kriterium für ein erhöhtes Geldwäschereirisiko», d. h., die Versicherungsgesellschaften können präzisieren, in welchen Fällen genau im Zusammenhang mit «Hypothekarkrediten in einer Fremdwährung» ein erhöhtes Geldwäschereirisiko vorliegt.

«m)

Verwendung von risikoreichen Vertriebskanälen;»

Dieses Risikokriterium wurde mit Blick auf eine inhaltlich analoge Bestimmung in einem Entwurf der GwV-FINMA aufgenommen. Nachdem die FINMA aber letztendlich auf eine solche Regelung in ihrer Verordnung verzichtete, wird dieses Kriterium bei der nächsten Revision des Reglements ebenfalls aufgehoben, voraussichtlich per 1.1.2021. Die entsprechenden Schritte sind eingeleitet. Es ist deshalb gemäss einem Beschluss des Vorstandes er SRO-SVV vom 28.11.2019 nicht notwendig, dieses Kriterium explizit in GwG-Weisungen zu überführen.

«n)

Häufige Transaktionen mit erhöhten Risiken»

Stellt ein Finanzintermediär bei einer Geschäftsbeziehung mehrere Transaktionen mit erhöhten Risiken im Sinne von Art. 13ter R SRO-SVV innerhalb eines Kalenderjahres fest (z.B. Überweisung hoher Einmaleinlagen, Anträge für hohe Policendarlehen, hohe Bareinzahlungen), kann dies ein Hinweis für das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken sein.


Weitere Ungewöhnlichkeiten, die besondere Risiken im Hinblick auf Geldwäscherei beinhalten und die eine besondere Abklärungspflicht auslösen, können sein:

  • Wenn der Vertragsabschluss ausserhalb der üblichen Geschäftstätigkeit oder des üblichen Kundenkreises des Versicherungsunternehmens oder einer seiner Geschäftsstellen liegt und keine plausiblen Gründe erkennbar sind, warum die Vertragspartei zum Abschluss des Geschäftes gerade dieses Versicherungsunternehmen oder eine deren Geschäftsstellen gewählt hat («Ein unerwarteter Kunde trägt ein unerwartetes Geschäft an das Versicherungsunternehmen heran»).
  • Falsche oder irreführende Auskünfte oder Verweigerung von Auskünften und Unterlagen, welche für den Vertragsabschluss notwendig oder üblich sind, ohne ersichtlichen Grund.
  • Unklarheit über die Herkunft der Gelder.
  • Die Herkunft der Gelder oder die Zahlungsart sollen später bekannt gegeben werden.
  • Geldüberweisungen von Finanzintermediären ohne Angabe des Namens oder der Nummer des Kontos des Begünstigten oder Auftraggebers.
  • Die Vertragspartei zeigt sich beim Vertragsabschluss nicht am Umfang des Versicherungsproduktes und an der Anlagerendite interessiert, sondern erkundigt sich nach den Modalitäten einer Kündigung vor Vertragsablauf und nach der Höhe des Rückkaufswertes.
  • Die Vertragspartei verwendet eine Adresse oder Telefonnummer, die nicht mit dem ständigen Sitz, Wohnsitz oder dem Ort der eigentlichen Geschäftstätigkeit übereinstimmen.
  • Die Vertragspartei oder die begünstigte Person wünschen Auszahlung der Versicherungssumme mittels Check an Order (Inhaber).
  • Die Vertragspartei beantragt bereits beim Vertragsabschluss eine Sofortbelehnung oder -abtretung der Versicherungspolice.
  • Die Vertragspartei macht aus nicht nachvollziehbaren Gründen grossen Zeitdruck geltend.

Die aufgeführten Ungewöhnlichkeiten sind nicht abschliessend. Sie sind Anhaltspunkte, dass besondere Risiken im Hinblick auf Geldwäscherei bestehen könnten. Sie sind Hilfsmittel und sollten nicht routinemässig angewandt werden. Vielmehr liegt ihre Anwendung im pflichtgemässen Ermessen jedes einzelnen Mitarbeitenden des Versicherungsunternehmens.


Einzelne Ungewöhnlichkeiten begründen für sich allein meist noch keinen ausreichenden Verdacht für das Vorliegen von verdächtigen Transaktionen. Wohl aber kann das Zusammentreffen mehrerer Ungewöhnlichkeiten auf Geldwäscherei hindeuten. Dies schliesst nicht aus, dass unter Umständen eine einzelne Ungewöhnlichkeit genügt, um den Verdacht auf Geldwäscherei zu erwecken (vgl. De Capitani, a.a.O., Komm. zu Art. 6 GwG N 28).


Liegen eine oder mehrere Ungewöhnlichkeiten vor, sind besondere, zusätzliche Abklärungen vorzukehren. Das Ergebnis der Abklärungen ist schriftlich festzuhalten und im Vertragsdossier oder in elektronischer Form aufzubewahren.


zu Abs. 3:


In Abs. 3 R SRO-SVV wird klargestellt, dass einerseits die Aufnahme einer Geschäftsbeziehung, welche von Anfang an als erhöhtes Risiko gilt, zu genehmigen ist. Andererseits besteht auch bei Geschäftsbeziehungen, die während Dauer des Vertrages zu einer Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken mutiert, eine Handlungspflicht. Da im Regelfall im Versicherungsbereich aus zivilrechtlichen Gründen eine Geschäftsbeziehung nicht einseitig aufgelöst werden kann, ist eine Genehmigung der Geschäftsbeziehung faktisch nicht möglich. Dies wird durch Verwendung des Begriffs «zur Kenntnis bringen» zum Ausdruck gebracht.


Neben der Genehmigung besteht eine Pflicht zur speziellen Kennzeichnung der Geschäftsbeziehung. Dabei handelt es sich um eine rein interne Kennzeichnung, welche gegenüber Kunden und Dritten nicht zu kommunizieren ist. Die interne Kennzeichnung soll sicherstellen, dass Mitarbeitende erkennen können, dass im Umgang mit der Geschäftsbeziehung besondere Sorgfaltspflichten gelten.


Vorbemerkung zu Abs. 4 bis 6:


Da für die Geschäftsbeziehungen mit den unterschiedlichen PEP-Kategorien neben der Kennzeichnungspflicht drei spezifische Regeln gelten, werden diese in separaten Absätzen 4 bis 6 geregelt. Auf diese Weise geht aus dem Reglementstext klar hervor, wann eine Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken vorliegt und auf welcher Hierarchiestufe die Geschäftsbeziehung genehmigt resp. zur Kenntnis genommen werden muss.


Da im Versicherungs- und Hypothekarbereich in der Regel eine laufende Geschäftsbeziehung nicht einseitig durch das Versicherungsunternehmen aufgelöst werden kann (keine Kündigungsmöglichkeit), kann diese durch eine vorgesetzte Stelle faktisch nicht genehmigt werden. Aufgrund der GwG-Vorgaben muss diese Beziehung trotzdem der vorgesetzten Stelle vorgelegt werden. Dies wird mit dem Begriff «zur Kenntnis bringen» im Reglementstext zum Ausdruck gebracht.


zu Abs. 4:


Bei der Kategorie «PEP bei einem internationalen Sportverband» handelt es sich um eine Regelung im schweizerischen GwG, welche nicht durch internationale Standards vorgeschrieben ist. Es besteht deshalb keine Verpflichtung, dass eine solche Geschäftsbeziehung durch die Geschäftsleitung genehmigt werden muss. Eine Sonderbehandlung (gegenüber anderen Geschäftsbeziehung) ist nur notwendig, falls zusätzlich ein Risikokriterium vorliegt. Diesfalls ist eine Kennzeichnung und Genehmigung durch eine vorgesetzte Stelle notwendig. Es erfolgt eine analoge Behandlung wie eine Geschäftsbeziehung mit erhöhten Risiken gemäss Art. 13bis Abs. 3 R SRO-SVV. Insbesondere gilt die gleiche Definition der vorgesetzten Stelle (vgl. Kommentar zu Abs. 3).


zu Abs. 5:


Bei Geschäftsbeziehungen mit inländischen PEP und PEP bei zwischenstaatlichen Organisationen gelten nur zusätzliche Sorgfaltspflichten, wenn zusätzliche Risikokriterien vorliegen. Diesfalls ist eine Kennzeichnung und Genehmigung durch die Geschäftsleitung oder zuständige Person gemäss Art. 15 R SRO-SVV notwendig. Ab diesem Zeitpunkt erfolgt eine analoge Behandlung wie eine Geschäftsbeziehung mit einem ausländischen PEP gemäss Art. 13bis Abs. 6 R SRO-SVV. Liegt hingegen neben der PEP-Eigenschaft kein zusätzliches Risikokriterium vor, so bestehen keine zusätzlichen Pflichten. Insbesondere besteht somit keine Pflicht, Geschäftsbeziehungen mit solchen PEP besonderes zu kennzeichnen, durch die Geschäftsleitung genehmigen zu lassen oder eine Liste sämtlicher Geschäftsbeziehungen zu führen, in welche eine PEP gemäss einer dieser Kategorien involviert ist. Diese Pflichten (Kennzeichnung, Listenführung, Genehmigung durch Geschäftsleitung) bestehen nur, wenn es sich um Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken handelt. Dies ermöglicht es, die Prüfung der neuen PEP-Kategorien auf die Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken zu beschränken, d. h. die PEP-Eigenschaft wird erst geprüft, wenn zusätzliche Risikokriterien vorliegen (keine Prüfung aller Geschäftsbeziehungen auf eine Involviertheit eines PEP).


zu Abs. 6:


Angesichts des erhöhten Risikos bedarf die Aufnahme einer Geschäftsbeziehungen mit einem ausländischen PEP immer einer Genehmigung durch die Geschäftsleitung oder durch die zuständige Person gemäss Art. 15 R SRO-SVV.


zu Abs. 7:


Geschäftsbeziehungen, bei denen der Vertragspartner über ein Domizil in einem Land verfügt, gegen welches die FATF zur Ergreifung von Massnahmen aufruft («Call for action»), sind zwingend als solche mit erhöhten Risiken zu behandeln. Die FATF publiziert auf ihrer Website unter der Rubrik «Publications» – «High-risk and other monitored jurisdictions» unter der Spalte «Call for action» die Liste der betroffenen Länder (vgl. http://www.fatf-gafi.org/countries/#high-risk).